Moin.
Du nimmst 4x den Publikumsjoker (gut, hätte ja auch der Telefonjoker sein können, aber das ist in diesem Fall wohl dieselbe Person)
- Ist der Wert "Dstar" die Dicke der kompletten Grenzschicht (bis sie eben 99% von U unendlich angenommen hat)?
Die Definition der Grenzschicht mit 99% der Außengeschwindigkeit ist zwar anschaulich recht nett und sehr maschinenbaumäßig (vgl. Rp0.2), aber in der Praxis nicht so richtig brauchbar. Zum Einen sind die 99% ziemlich willkürlich, zum anderen hat man ggf. ein wenig Schwierigkeiten festzusetzen, welches genau die "ungestörte Außengeschwindigkeit" überhaupt ist... insbesondere bei einer Profilumströmung mit sich ändernden Geschwindigkeiten entlang der Profilkontur.
D* ist da wenigstens bezüglich der 99%-Willkürlichkeit deutlich besser und auch bei näherem Hinsehen nicht weniger anschaulich. Es ist die kinematische
Verdrängungsdicke. Definitionsgleichung guggsdu
hier. Das ist ein Mittelungsergebnis der Geschwindigkeit innerhalb der Grenzschicht, und besagt anschaulich diejenige Dicke an Material, die man auf das Profil schmotzen müsste, um bei einer REIBUNGSFREIEN Strömung um das um die Verdrängungsdicke aufgedickte Profil denselben Massenstrom am Profil vorbeistreichen zu lassen. Die Grenzschicht "kostet" Massendruchsatz, und die Verdrängungsdicke ist die Dicke, die effektiv blockiert wird.
Es gibt dann noch die Impulsverlustdicke (
Gleichung), offensichtling eng verwandt, nur nochmal mit dem Geschwindigkeitsverhältnis durchmultipliziert. Das ist die Dicke, welche sich nicht aus der Verdrängung (Massendurchsatz), sondern aus dem Impulsfluss, der Kraft, definiert. Um diese Dicke müsstest du dein Profil aufdicken und reibungsfrei umströmen lassen, wenn dich der Verlust an "Schwung" in der Strömung interessiert (anstatt der "Höhe der Mauer"). Das Verhältnis aus beiden Dicken ist der
Formparamenter (H12), der ein schönes Indiz über den Zustand der Grenzschicht liefert (Ablösegefährdet, laminar, turbulent etc.)
- Ist der Wert (Delta 1 + Delta 2) also somit die Verdrängungsdicke + die Impulsverlustdicke?
Die Summe aus beiden Werten bildet (soweit ich das als nicht-Profilaerodramatiker überhaupt verstehe) nicht unbedingt eine Größe mit physikalischer Bedeutung - höchstens das Verhältnis (H12). Woher stammt die delta1+delta2-Geschichte? Könnte ggf. die Summe aus der Dicke der laminaren Unterschicht und der turbulenten GS sein?
- Wird vor der Stelle "X-Transition" die Dicke der laminaren Grenzschicht und nach der Stelle "X-Transition" einfach die Dicke der turbulenten Grenzschicht im Wert Dstar abgebildet?
Davon gehe ich in Xfoil aus, bin da aber nur Anwender. Der Grenzschichtdickenverlauf macht ja (Verdrängungs- und Impulsverlust) an der Transitionsstelle keinen Sprung, sondern "nur" einen Knick. Da aber das Geschwindigkeitspropfil in der Grenzschicht grundsätzlich anders wird, sieht man das im Formparameter am besten, der in der Rechnung da springen kann. In der physikalischen Realität ist die Transition ja keine exakte "Stelle", sondern ein Bereich, den die Grenzschichttheologen ja nochmal unterteilen (Tollmien-Schlichting-wellen, einfaches Wachstum, angefachtes Wachstum, Lambda-Wirbel, Omega-Wirbel, um mal ein paar Schlagworte aus deren Gebetbuch zu nennen...)
- Ist die Genauigkeit systembedingt nicht sooo genau? In dem Bild sieht man das NACA 0015 bei einer RE=300 000 und Anstellwinkel = 0° und einer X-Transition bei (jeweils) 75,9% Profil-Länge
Maaaann bist du anspruchsvoll
Wir reden hier von Grenzschichtverfahren, das ist mehr Religion als Wissenschaft. Da musst du schon ein wenig Platz für göttliche Eingebung lassen. Denke daran, Xfoil weiß ja nicht, dass das Ergebnis symmetrisch aussehen soll, es rechnet per Panelverfahren erst mal locker-flockig ne Außenströmung in einer vollelliptischen Domäne.. d.h. JEDE Ungenauigkeit an JEDEM Punkt der Panellierung wirkt sich auch auf den Staupunkt (und dessen exakte Lage) aus.
Zudem haben viele Grenzschichtverfahren ein Problem mit der Stunde Null. Ohne Grenzschicht darf nur eine Geschwindigkeit von Null vorliegen, denn sonst wird die Schubspannung unendlich. Ist aber schon eine Grenzschicht vorhanden, wo gar keine GEschwindigkeit vorliegt, so haben wir ebenfalls eine Division by Zero.
Man hangelt sich also mit einer bösen Singularität beginnend die Strömung abwärts - kein gutes Omen für den Numeriker.
Alles nicht so einfach.
gruß
andi